Wann ist man insolvent?


Forum Mercatorium
Der Unternehmerbeirat

Wenn Sie wissen mˆchten:
ï Welche Anforderungen der BGH sieht
ï Wie man Zahlungsunf‰higkeit ermittelt
ï Welche Rechtsfolgen das hat
ï Welche Methodik Sie am besten anwenden
ï Wo Sie kompetente Hilfe bekommen

Der Bundesgerichtshof ver‰ndert die
Anforderungen an die Zahlungsunf‰higkeit

Eines der ganz zentralen Themen des Insolvenzrechts ist die Frage, wann Zahlungsunf‰higkeit vorliegt. Davon h‰ngen sehr viele und weitreichende Rechtsfolgen ab. Das beginnt zum Beispiel damit, dass eine juristische Person (GmbH, AG usw.) bei Zahlungsunf‰higkeit einen Insolvenzantrag stellen muss. Sie betrifft die Frage von strafbarem Handeln, beispielsweise Insolvenzverschleppung. Sie erstreckt sich weiter zur Frage der Haftung der Gesch‰ftslei≠tung mit ihrem Privatvermˆgen. Schliefllich erˆffnet die Zahlungsunf‰higkeit den Raum f¸r die sogenannte Insol≠venzanfechtung. Das sind R¸ckabwicklungen von Gesch‰ftsvorf‰llen im Vorfeld der Insolvenzreife. Davon sind oft auch Gesch‰ftspartner des insolventen Unternehmens betroffen. Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Folgen, auf die hier nicht n‰her eingegangen wird.
Es gibt zwei Methoden, um zu ermitteln, ob eine Zahlungsunf‰higkeit gegeben ist:
A. Die Zahlungseinstellung
Entweder man ¸berpr¸ft die Zahlungsunf‰higkeit anhand der Frage, ob bereits eine Zahlungseinstellung vorliegt. Wenn das der Fall ist, vermutet das Gesetz, dass eine Zahlungsunf‰higkeit gegeben ist (ß 17 Abs. 2 Satz 2 Insolvenz≠ordnung). Eine Zahlungseinstellung ist im Juristendeutsch ein nach auflen hervortretendes Verhalten, aus dem sich erkennen l‰sst, dass der Schuldner nicht (mehr) in der Lage ist, seine f‰lligen Zahlungspflichten zu erf¸llen. Hierzu gibt es zahlreiche Gerichtsentscheidungen, bei welchen Anhaltspunkten das der Fall sein soll. Das soll hier nicht weiter vertieft werden.
B. Die Liquidit‰tsbilanz
Die andere Methode ist die Aufstellung einer sogenannten Liquidit‰tsbilanz. Zu dieser Thematik hat der BGH (Urteil vom 19.12.2017-II ZR 88/16) eine grundlegende Entscheidung verk¸ndet. Bislang wurde die Zahlungsunf‰hig≠keit ¸ber eine Liquidit‰tsbilanz wie folgt ermittelt: Zuerst werden alle zu einem bestimmten Stichtag vorhandenen fl¸ssigen Mittel erfasst (sogenannte Aktiva I). Hierzu werden dann die innerhalb der n‰chsten drei Wochen liquide zu machenden Mittel (sogenannte Aktiva II) hinzuaddiert. Dieser Summe stellt man die zu dem bestimmten Stichtag f‰lligen Verbindlichkeiten (Passiva I) gegen¸ber. Zahlungsunf‰hig war man dann, wenn die Aktiva nicht ausreichten, mehr als 90 % der Passiva abzudecken.

Neu ist nun, dass zu den am Stichtag f‰lligen Verbindlichkeiten (Passiva I) auch die in den n‰chsten
drei Wochen f‰llig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II) hinzugerechnet werden.

Anders ausgedr¸ckt: Den zum Stichtag vorhandenen Geldmitteln werden diejenigen hinzuaddiert, die in den n‰chs≠ten drei Wochen noch hereinkommen. Das kˆnnen Zahlungseing‰nge aus Rechnungen, Erlˆse aus Verk‰ufen, neue Kredite usw. sein. Dagegen wurde nur das gerechnet, was an demselben Stichtag an Schulden bestand. Die Schul≠den, die in den n‰chsten drei Wochen noch hinzukommen w¸rden, wurden fr¸her auflen vorgelassen.

www.forum-mercatorium.org | Tel.: +49 4721 94 99 100 | E-Mail: info@forum-mercatorium.org

Das hat sich nun ge‰ndert. Das erscheint auch logisch. Wenn man auf der einen Seite das hinzurechnen kann, was in den n‰chsten drei Wochen noch kommt, muss man auch beachten, was man in den n‰chsten drei Wochen noch zus‰tzlich zahlen muss. So einleuchtend das sein mag, der BGH hat zwˆlf Jahre lang immer wieder in zahlreichen Entscheidungen an der ersten Variante festgehalten.
Die ƒnderung der Rechtsprechung hat damit sehr grofle Bedeutung. Sie stellt eine Mˆglichkeit dar, wie sich die
Gesch‰ftsleitung gegen¸ber der Vermutung bei der ersten Methode entlasten kann. Den Indizien, die f¸r eine
Zahlungsunf‰higkeit sprechen, kann man also mit einer fundierten Liquidit‰tsbilanz gegen¸bertreten.
Interessanterweise kann man gar nicht sagen, ob die neue Entscheidung nun eine Versch‰rfung oder eine Aufwei≠chung der bisherigen Rechtslage bedeutet.
Zun‰chst einmal erscheint die neue Rechtsprechung eine Versch‰rfung mit sich zu bringen. Fr¸her ging es um die
liquiden Mittel, die man heute und in den n‰chsten drei Wochen haben wird. Dem wurden nur die Schulden von
heute gegen¸bergestellt. Wenn nun aber auch noch die Schulden hinzukommen, die n‰chsten drei Wochen f‰llig werden, scheint sich die Balance zu verschieben. Das kann aber auch ins Gegenteil umschlagen.
Folgende Beispielrechnung:
Zum Stichtag betragen die Aktiva I 50 Ä, die Passiva I 70 Ä. Das ergibt eine Unterdeckung von 28,5 %. Wenn nun
in den n‰chsten drei Wochen auf beiden Seiten jeweils 100 Ä dazu kommen, betragen die Aktiva I und II 150 Ä. Die
Passiva I und II belaufen sich auf 170 Ä. Das ergibt dann eine Unterdeckung von 11,7 % obwohl immer noch (nur)
20 Ä fehlen. Sofern sich die Aktiva II und Passiva II jeweils um 200 Ä erhˆhen, betragen die Aktiva I und II 250 Ä und die Passiva I und II 270 Ä. Daraus resultiert dann eine Unterdeckung von 7,4 %. In den ersten beiden F‰llen liegt
also Zahlungsunf‰higkeit vor, im letzten Fall dann nicht mehr.
F¸r die Frage der Zahlungsunf‰higkeit ist somit von Bedeutung, wie sich die Aktiva II und Passiva II im 3-Wochen-Zeitraum entwickeln. Wenn man bei den Aktiva II und Passiva II grofle Steigerungen hat, verschiebt sich das Gesamt≠ergebnis. Grofle Unternehmen mit hohen Ums‰tzen haben dadurch gegen¸ber kleinen Betrieben einen Vorteil.
Wie dem auch sei, diese Methode hat zumindest den Vorteil, dass man exakte Zahlen hat. Bei der Beurteilung der Zahlungsunf‰higkeit anhand von Indizien spielen viele Einfl¸sse eine Rolle, die man so oder so bewerten kann. Das ist viel unsch‰rfer. Den Gerichten stehen hier viel grˆflere Spielr‰ume zur Verf¸gung. Korrespondierend dazu ist es deutlich schwerer abzusch‰tzen, wie ein Gericht welche Anhaltspunkte bewertet und zu welchem Ergebnis es kom≠men wird. Das f¸hrt zu Unsicherheiten. Daher bringt die Entscheidung des BGH mehr Klarheit und ist nach meiner Auffassung zu begr¸flen.

www.forum-mercatorium.org | Tel.: +49 4721 94 99 100 | E-Mail: info@forum-mercatorium.org

drohende
Insolvenz

Krise

Restart

Insolvenz

‹ber den Autor Rainer-Manfred Althaus, Rechtsanwalt, Fachanwalt f¸r Insolvenzrecht, Immobilienfachwirt (IHK)
Ausbildung und†T‰tigkeitsfelder:†Rechtswissenschaft, einige Semester Betriebswirtschaft, kaufm‰nnische Ausbildung (Immobilien≠fachwirt),†Rechtsanwalt, Beratung bei finanziellen Schwierigkeiten und im Insolvenzrecht, professionelle Verhandlungen.
Fortbildung/Qualifikationen:†Ausbildung zum Fachanwalt f¸r Insolvenzrecht; Autor des Buches ÑInsolvenzpraxis f¸r Gl‰ubigerì 2004.
Beratungs- und Branchenkompetenzen:†1999 bis 2006 Arbeit als RA in mittelgrofler Insolvenzverwaltungskanzlei als ÑSchattenver≠walterì, Gerichtsprozesse aller Art; seit 2006 Beratung ausschliefllich von Schuldnern und Gl‰ubigern.
T‰tigkeitsschwerunkte:†Beratung von Privatpersonen, Einzelkaufleuten, Selbst‰ndigen, Freiberuflern, Gesellschaftern, Gesch‰fts≠f¸hrern von GmbHs, bei finanziellen Problemen und Insolvenzn‰he; Vorbereitung, Erstellung, Einreichung von Insolvenzantr‰gen, Begleitung im Insolvenzverfahren, Vorzeitige Restschuldbefreiung; Vertretung gegen¸ber Insolvenzverwaltern, Insolvenzgerichten; Entschuldung ¸ber Vergleichsverhandlungen auflerhalb eines Insolvenzverfahrens mit Banken, Finanz‰mtern, Krankenkassen, Lieferanten, usw.

www.forum-mercatorium.org | Tel.: +49 4721 94 99 100 | E-Mail: info@forum-mercatorium.org



'